Du willst deinen Körper nicht mehr ablehnen?
Gleichzeitig fühlt es sich schwer an, deinen Körper zu akzeptieren und du weißt nicht, wie du damit anfangen kannst?
In diesem Blogartikel beschreibe ich, warum das eigentlich positive Ziel „den eigenen Körper akzeptieren und lieben“ sich unmöglich anfühlen und Stress auslösen kann.
Ich stelle dir ein alternatives Ziel vor, das wahrscheinlich einfacher und stressfreier für dich zu erreichen ist.
Das Ziel, deinen Körper so zu akzeptieren und zu lieben wie er ist, ist grundsätzlich großartig. Wenn du dich dafür entschieden hast: Herzlichen Glückwunsch!
Das ist ein radikaler Entschluss in einer Welt, die uns ständig sagt, dass unsere Körper nicht gut genug sind. Und in der von uns erwartet wird, dass wir unsere Körper immer weiter optimieren (wollen).
Jetzt fragst du dich wahrscheinlich, was denn mein Problem mit diesem Ziel ist?
Deinen Körper lieben lernen kann als erster Schritt zu groß sein
Wenn du lange Zeit deinen Körper abgelehnt und vielleicht sogar gehasst hast, kann es sein, dass es für dich sehr schwer und überfordernd ist, auf einmal deinen Körper zu akzeptieren und zu lieben.
Falls es dir bisher auch so geht: Das hat nichts damit zu tun, dass du es irgendwie falsch machst oder nicht kompetent genug bist.
Es ist schwer, plötzlich ganz anders auf den eigenen Körper zu schauen und mit ihm anders umzugehen. Wahrscheinlich hast du dein ganzes Leben lang gelernt, dass dein Körper so und so aussehen und so und so funktionieren muss, um gut zu sein.
Meiner Beobachtung nach kann der Anspruch, den eigenen Körper lieben zu wollen, Druck auslösen und in einem Gefühl des Versagens enden.
Also zum Beispiel: „Ich habe es mein ganzes Leben lang nicht geschafft, abzunehmen und den Körper zu erreichen, den ich mir wünsche – und jetzt schaffe ich es auch nicht, mich selbst zu lieben“.
Für manche Menschen ist es viel schwerer, den eigenen Körper zu lieben
In vielen Artikeln und Social Media Posts, die ich zu dem Thema sehe, fehlt die Anerkennung der Tatsache, dass für manche Menschen die Hürden sehr hoch sind: Es ist für Menschen sehr unterschiedlich schwer, den eigenen Körper zu lieben.
Ja, einen Körper haben in unserer Gesellschaft ist immer kompliziert.
Aber: Für Menschen, die – zum Beispiel – von Fettfeindlichkeit, Ableismus oder Rassismus betroffen sind, ist es viel schwerer. Ihnen wird ihr ganzes Leben lang kommuniziert, dass ihr Körper grundsätzlich falsch ist – und dass es ihn am besten gar nicht geben sollte.
Klar, es ist als Schwarze / behinderte / dicke Person noch radikaler, zu beschließen, den eigenen Körper nicht mehr abzulehnen – und vielleicht sogar zu akzeptieren und zu lieben. Aber der Schritt hin zu Akzeptanz und Liebe für den eigenen Körper ist eben auch viel größer – und kann sich (erst einmal) zu groß anfühlen.
Außerdem: Alle Selbstliebe der Welt ändert für manche Menschen nichts daran, dass sie aufgrund ihres Körpers keinen / weniger Zugang zu bestimmten Lebensbereichen haben.
Ein Beispiel:
Egal wie sehr ich meinen Körper liebe oder nicht – das ändert nichts daran, dass es im medizinischen Bereich viel Fettfeindlichkeit gibt. Ich muss bei jedem Arztbesuch damit rechnen, dass ich als dicker Mensch mit meinen Beschwerden nicht ernst genommen werde.
Das liegt daran, dass auch die meisten Ärzt*innen massive Vorurteile gegenüber dicken Menschen haben. Ein solches Vorurteil: dick = ungesund und dünn = gesund. Ärzt*innen sehen oft nur mein Gewicht und glauben, dass ich „einfach“ abnehmen müsste, um gesund zu sein. Und konzentrieren sich dann eben aufs Abnehmen – ohne auf meine eigentlichen Beschwerden einzugehen.
Dazu passend schreibt Da’shaun L. Harrison im Buch „The Belly of the Beast“ auch, dass Selbstliebe nicht das letzte Ziel, sondern nur der Anfang sein kann. Denn Selbstliebe löst keine keine strukturellen / systemischen Probleme.
Jetzt fragst du dich wahrscheinlich: Wenn „deinen Körper lieben lernen“ so schwer erreichbar und überfordernd sein kann: Wie könnte denn ein realistischeres Ziel aussehen?
Beginne eine Freundschaft mit deinem Körper
Mal ganz ehrlich: Wenn du eine Person lange nicht mochtest, sie vielleicht sogar gehasst hast, deswegen unfreundlich zu ihr warst und das jetzt ändern willst – dann hast du ja auch nicht den Anspruch, diese Person sofort zu lieben, oder?
Wahrscheinlich würdest du dann erst einmal probieren, ein klein wenig freundlicher zu sein. Du würdest schauen, ob du diese Person noch mal anders kennenlernen, sie positiver sehen kannst. Und vielleicht würde sich dann irgendwann eine Freundschaft zwischen euch entwickeln.
Warum soll das in der Beziehung mit deinem Körper anders sein?
Aus meiner Sicht ist es realistischer, erst einmal zu lernen, freundlicher zu deinem Körper zu sein und eine Freundschaft mit ihm aufzubauen.
Was kannst du gewinnen, wenn du freundlicher mit deinem Körper umgehst?
Wenn ich jemanden mag und mit der Person befreundet bin, kümmere ich mich besser um ihn*sie.
Sprich: Wenn du eine freundschaftliche Beziehung zu deinem Körper hast, kümmerst du dich wahrscheinlich besser um ihn und seine Bedürfnisse.
Wenn du dich mit deinem Körper anfreundest und ihn so akzeptierst wie er ist, steigst du damit aus dem großen Hamsterrad der Körperselbstoptimierung aus. Du hast mehr Energie – und wahrscheinlich auch Zeit und Geld – für andere Dinge in deinem Leben.
Denn: Den eigenen Körper nicht zu mögen und ihn ständig verändern zu wollen, kostet eine Menge Energie (und Zeit und Geld).
Du gewinnst Freiheit – weil du dich (immer öfter) traust, Dinge zu tun, die du bisher aufgrund deines Körpers nicht getan hast.
Das kann zum Beispiel sein:
Als nicht normschöne Person im Sommer in aller Öffentlichkeit baden gehen und dabei nur Badekleidung zu tragen: Vielleicht sogar nur einen leuchtend gelben Bikini – oder der mit den großen pinkfarbenen Blumen drauf – oder diese schicke blaue Badehose? Du kannst dich endlich darauf konzentrieren, wie gut dein Körper sich im klaren, kühlen Wasser anfühlt und hinterher entspannt auf der Wiese oder auf dem Sand liegen.
Die Kleidung zu tragen, die dir wirklich gefällt: Wie großartig wäre es, deine Kleidung nur noch danach auszuwählen, wie gut und stark du dich in ihr fühlst? Wenn du endlich die Farben tragen könntest, die dir am besten gefallen?
Essen lernen ohne Schuldgefühle: Du könntest endlich deinem Körper vertrauen und mit gutem Gefühl die Pizza mit viel Käse oder ein Stück von deinem Lieblingskuchen essen – und den Salat nur dann, wenn du wirklich Lust darauf hast.
Ein neues Hobby starten: Du könntest endlich reiten lernen oder den Tanzkurs machen oder zum Impro-Theater gehen oder den Tauchschein machen oder diese eine andere Sache, die du schon so lange ausprobieren wolltest 😉
Wie kann der Weg zu einer besseren Beziehung mit deinem Körper aussehen?
Du kannst mit ganz kleinen Schritten anfangen – völlig ohne Druck, deinen Körper jetzt plötzlich toll und schön finden zu müssen.
Ein möglicher erster Schritt:
Du kannst üben, grundsätzlich freundlicher mit dir selbst und deinem Körper umzugehen.
Wahrscheinlich bist du es eher gewohnt, negativ über deinen Körper zu denken und ihn immer wieder negativ zu bewerten. Das löst Stress aus.
Du kannst in einem ersten Schritt erst einmal nur beobachten, wie du mit dir selbst sprichst und was du dir selbst über deinen Körper sagst.
In einem zweiten Schritt kannst du dann ausprobieren, positiver und freundlicher mit dir selbst zu sprechen.
Falls dir das schwer fällt, dann kannst du es über einen Umweg versuchen:
Stell dir vor, dass du in dem Moment nicht zu dir selbst sprichst, sondern mit einer Person aus deinem Leben, die du sehr magst.
Wahrscheinlich würdest du zu dieser Person nicht so unfreundlich sprechen wie mit dir selbst.
Wie würdest du mit dieser Person sprechen – was würdest du nettes zu ihr sagen, wie würdest du sie z.B. trösten oder ermutigen?
Wenn du das herausgefunden hast, kannst du üben, diese Dinge auch zu dir und deinem Körper zu sagen.
Viel Erfolg beim Ausprobieren!
Wenn du versuchen willst, freundlicher zu deinem Körper zu sein und dir dabei Unterstützung wünscht: In meinem mehrwöchigen Programm „Mich anfreunden mit meinem Körper“ gebe ich dir konkrete Impulse dazu, wie du deinen Körper neu kennenlernen und freundlicher zu ihm sein kannst – und ich begleite dich bei dieser Herausforderung als Coach.
Wenn dich das interessiert, kannst du hier mehr Informationen finden.