Auf dem Weg zur Körperakzeptanz: Meine zwei Aha-Momente, die alles veränderten
Contentnote: Es geht (kurz) um Diäten und um Beispiele für Fettfeindlichkeit
Ich bin den größten Teil meines Lebens dick. Und wie viele andere (alle?) Menschen auch, habe ich ursprünglich gelernt, dass dick sein schlecht und dünn sein gut ist.
Ich habe das früher als wahr hingenommen und habe ab ca. 13 immer wieder Diäten gemacht. Weil ich ja dünn sein wollte. Weil das eben (vermeintlich) besser war als dick sein.
Heute bin ich immer noch dick. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, dick zu bleiben und mit dem Körper, den ich habe, ein gutes Leben zu führen.
Wichtig dafür waren zwei große Aha-Momente in meinem Leben:
Aha-Moment 1: „Ich werde nie dünn sein“
Mit 24 habe ich meine letzte Diät gemacht.
Ich war mit 23 aus einem Auslandsjahr wiedergekommen und wog so viel wie noch nie. Also habe ich wieder versucht, abzunehmen.
Es passierte das, was immer passierte:
Ich nahm ein paar Kilo ab und wurde dann genervt davon, so intensiv auf´s Essen zu achten.
Zudem war ich gelangweilt von dem, was ich so aß - auch wenn die Diät versprochen hatte, dass ich alles essen könnte.
Und dann gab es einen Moment, wo auf einmal diese Gedanken da waren:
Ich müsste mein Leben lang extrem hungern, um dünn zu sein.
Ich müsste mein ganzes Leben lang damit verbringen, sehr viel über Essen nachzudenken - über das, was ich esse und nicht esse.
Für mich war klar, dass ich beides nicht wollte: Hungern und sehr viel Zeit damit verbringen, über Essen nachzudenken.
Was mein 24jähriges Ich noch nicht wusste: Körpergewicht ist gar nicht so kontrollierbar wie es oft dargestellt wird.
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass ich selbst mit extrem hungern und sehr viel über Essen nachdenken dick geblieben wäre.
Ich hätte dann aber vielleicht (wahrscheinlich?) noch zusätzlich eine Essstörung gehabt.
Nach dieser Erkenntnis, dass ich in diesem Leben wahrscheinlich nie dünn sein werde, kam langsam die Entscheidung für das dick sein.
Bewusst dick sein - ohne Schuldgefühle und ohne Entschuldigungen.
Auch wenn der Anfangspunkt ein plötzlicher Aha-Moment war:
Die bewusste Entscheidung, dick zu sein, ist eine, die ich seitdem immer wieder getroffen habe und immer wieder treffe.
Es gab in den letzten 20 Jahren immer wieder Situationen, in denen der Gedanke aufblitzte, dass ich ja doch noch mal versuchen könnte, abzunehmen und dünn(er) zu werden.
Aber die Entscheidung, nicht mehr gegen meinen Körper zu kämpfen, habe ich nie bereut.
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Aha-Moment 2: „Ich kann die Kleidung tragen, die mir gefällt“
Nachdem ich entschieden hatte, dick zu bleiben, habe ich nicht sofort alle ungeschriebenen Regeln für dicke Menschen über Bord geworfen.
Einige dieser Regeln betreffen Kleidung:
Von dicken Menschen wird erwartet, dass sie Kleidung tragen, die ihre Körper nicht betont, sondern kaschiert.
Dass sie nichts auffälliges tragen, was ihren Körper noch sichtbarer macht.
Und dass sie bloß nichts tragen, was sie noch dicker erscheinen lässt.
Also zum Beispiel Kleidung mit Querstreifen.
Bis ich Anfang 30 war, habe ich immer noch relativ viel schwarz und gedeckte Farben getragen. Dabei mochte ich immer schon knallige, „laute“ Farben.
Mit Anfang 30 hatte ich dann aber einen weiteren Aha-Moment:
Ich könnte ja Kleidung nur noch danach bewerten, ob mir gefällt, was ich sehe, wenn ich an mir herunter schaue.
Wenn ich das so schreibe, klingt es für mich fast schon banal. Aber für mich war es lange völlig selbstverständlich, einen (vorgestellten) Blick von außen automatisch als meine Perspektive und meinen Maßstab zu übernehmen.
Diese veränderte Perspektive hat bei mir dazu geführt, dass ich mich inzwischen sehr anders kleide als früher:
Mein erster bewusster Kauf nach diesem Aha-Moment war damals ein sehr knalliger, relativ enger, orangefarbener Pullover.
Ich habe außerdem angefangen, Kleider zu tragen und dann für 10 Jahre fast nur noch Kleider getragen.
Ich habe entdeckt, dass meine Lieblingsfarbkombi orange und pink ist.
Lieblinskleid in orange und pink
Ich habe gemerkt:
Mir geht es besser, wenn ich genau die Kleidung trage, auf die ich Lust habe. Ich fühle mich dann freier und mehr wie ich selbst.
Das führt dann wiederum dazu, dass ich mich in meinem Körper wohler fühle.
Was ich leider auch immer wieder bemerke:
Wenn ich die Kleidung trage, die mir gefällt und damit die ungeschriebenen Regeln für dicke Menschen breche, werde ich mehr angestarrt und höre mehr diskriminierende Äußerungen.
Was mir dann hilft:
Mir immer wieder bewusst zu machen, was mein Maßstab für Kleidung ist: Dass mir die Farben gefallen, dass sich der Stoff gut auf meiner Haut anfühlt und dass es bequem ist (mich also nicht einengt).
Mein Maßstab ist nicht, ob meine Kleidung anderen gefällt.
Außerdem finde ich diesen Gedanken hilfreich:
Es geht mich nichts an, was andere über mich denken ;)
Auch hier war und ist diese Entwicklung ein Prozess.
Es tauchen immer mal wieder Unsicherheiten auf, wie zum Beispiel:
Kann ich wirklich die kurzen Shorts tragen?
Es stellte sich raus: Ja, kann ich wirklich
Kann ich wirklich ärmellose Kleider und Tops tragen?
Auch hier: Ja - und es ist nichts Schlimmes passiert.
Zeichnet sich mein Bauch sehr ab in diesem Kleidungsstück?
Ja, tut er - und das ist ok.
Diese Unsicherheiten dürfen da sein - und dann auch wieder gehen. Das ist ok.
Übrigens:
Aktuell trage ich wieder mehr Hosen und habe eine schwarz-weiß-Phase.
Was ich gerade am liebsten trage: Weiße T-Shirts mit schwarzen Querstreifen.