Diäten funktionieren nicht - Studien, Zahlen und die Absurdität von ärztlichen Empfehlungen

Wir wissen nicht, was genau der Zusammenhang zwischen hohem Körpergewicht und bestimmten Gesundheitsrisiken ist.

Was wir aber wissen: Bei „dick sein ist ungesund“ und „dünn sein ist gesund“ handelt es sich um Vorurteile - und nicht um wissenschaftlich abgesichertes Wissen.

Hier geht es um eine mögliche Erklärung für Studien, in denen ein hohes Gewicht in Zusammenhang mit bestimmten Krankheiten gebracht wird:

Es liegt nicht am Gewicht selbst, sondern an den Spätfolgen von (häufigen) Diäten.

Nach einem Blick auf die Gesundheitsfolgen von Diäten und Weight Cycling schaue ich auf die Absurdität von (ärztlichen) Empfehlungen zum Abnehmen.   

Was sich negativ auf Gesundheit auswirkt: Diäten

Ich habe mich mit Mitte 20 gegen weitere Abnehmversuche entschieden.

Diese Entscheidung habe ich getroffen nachdem ich immer wieder die Erfahrung gemacht hatte, dass Diäten nicht „funktionieren“. Also „Funktionieren“ in dem Sinne, dass ich dauerhaft Gewicht verliere.

Für mich war damals klar, dass ich nicht für den Rest meines Lebens so viel Zeit und Energie in Abnehmversuche stecken wollte. Hier kannst du mehr dazu lesen.

Was ich damals aber nicht wusste: Diäten funktionieren bei fast niemandem.

Erst Jahre später, mit 38, habe ich zum ersten Mal Zahlen zum Scheitern von Diäten gelesen. Und auch heute, einige Jahre später, finde ich diese Zahlen immer noch unglaublich.

Unglaublich deshalb, weil es mich fassungslos macht, dass dicken Menschen weiterhin von allen Seiten, auch speziell im medizinischen Bereich, Abnehmen empfohlen wird. Obwohl die Studienlage so klar etwas anderes sagt.

Die Zahlen, die mich 2018 so erschüttert hatten, waren:

95 - 98 % (!) aller Abnehmversuche scheitern.

Und: Dies ist keine neue Erkenntnis, sondern wird seit 1959 (!) immer wieder durch Forschung gezeigt.

Gelernt habe ich das damals durch diesen Artikel von Michael Hobbes

(Warnung für unsensible Sprache: Der Artikel ist an vielen Stellen wirklich gut, aber er verwendet leider durchgehend das Wort „obesity“, also „Adipositas“)

Rund um das Thema Diäten gibt es aber noch mehr erschütternde Zahlen. Hier ein Zitat aus dem Buch „Gesundheit kennt kein Gewicht“:

“Fakt ist: 95 - 98 Prozent aller Diäten scheitern in den ersten ein bis fünf Jahren, etwa zwei von drei Menschen wiegen nach der Diät mehr als vorher, und eine von vier Diätkarrieren endet in einer therapiebedürftigen Essstörung. Die Wahrscheinlichkeit, aus einer Diätkarriere heraus eine Essstörung zu entwickeln, ist etwa 4 - 5-mal höher, als mit einer Diät Gewicht zu verlieren und dauerhaft zu halten.”

(Quelle: Schleifer / Post (2022: S. 29)

Es ist also nicht nur so, dass Diäten nicht das halten, was sie versprechen (dauerhafter Gewichtsverlust), sondern sie richten auch noch eine Menge Schaden an:

Sie können zu Essstörungen und einer Menge anderer gesundheitlicher Probleme führen.

Besonders schädlich für die Gesundheit ist das sogenannte „Weight Cycling“ - also der Kreislauf von Abnehmen, Zunehmen, Abnehmen, Zunehmen, etc.

Ein Kreislauf, den viele Menschen immer wieder durchlaufen - nicht nur aber besonders häufig dicke Menschen.

In dem oben genannten Buch kannst du mehr zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Weight Cycling lesen, aber zusammengefasst lässt sich sagen:

„Alle erhöhten Krankheitsrisiken , die einem hohen Körpergewicht zugeschrieben werden , lassen sich auch durch Weight Cycling erklären.“

(Quelle: Schleifer / Post (2022: S. 84)

Geht es wirklich um Gesundheit - oder um dünn sein?

Was mich wütend macht:

Die genannten Zahlen sind nicht neu und trotzdem hat sich nichts verändert:

Es wird immer noch so getan als wäre Abnehmen einfach so für jede*n möglich - und als wäre es einfach eine Frage der Willenskraft und Disziplin.

Im medizinischen Bereich wird dicken Menschen weiterhin ständig empfohlen, Gewicht zu verlieren - egal mit welchen Beschwerden sie eigentlich zum Arzt gekommen sind.

Das bedeutet: Ärzt*innen empfehlen etwas zur Behandlung, was nur in 2 - 5 % der Fälle Erfolg hat.

Hier ein Beispiel wie so etwas aussehen kann:

Ich hatte vor über 10 Jahren eine kleine OP am Knie. Am Ende des kurzen Nachgesprächs zur OP bekam ich vom Arzt einen Zettel in die Hand gedrückt.

Dort standen u.a. Hinweise zur Nachbehandlung drauf. Ein Unterpunkt lautete „Empfehlungen“: Neben „knieschonender Sport“ stand dort tatsächlich „Normalgewicht“

Der Arzt hatte im Nachgespräch das Thema Gewichtsverlust mit keinem Wort erwähnt. Und selbstverständlich auch nicht erklärt, wie ich denn zu diesem „Normalgewicht“ kommen und dieses Gewicht dann dauerhaft halten könnte.

Ich schreibe das nicht, weil ich damals gerne abgenommen hätte, sondern um deutlich zu machen wie absurd (und unwissenschaftlich) es ist, dass ein Arzt etwas empfiehlt, was laut vieler Studien für die meisten Menschen nicht nur unmöglich sondern auch noch ungesund ist.

Um die Absurdität noch deutlicher zu machen, hier noch mal ein Zitat aus „Gesundheit kennt kein Gewicht“

(Hier taucht der BMI auf, der problematisch ist - ich verwende das hier nur, weil es Teil des Zitats ist):

„Je höher das Körpergewicht ist, umso unwahrscheinlicher ist es, in die laut BMI-Definition „normalgewichtige“ Kategorie zurückzukehren: Mit einem Ausgangs-BMI über 30 kg/m2 gelingt das durchschnittlich einem von 210 Männern und einer von 124 Frauen. Liegt der BMI über 40kg/m2, erreicht statistisch gesehen nur noch einer von 1290 Männern und eine von 677 Frauen einen ≦ BMI 25kg/m2.“

(Quelle: Schleifer / Post (2022: S. 84)

: S. 37)

Für mich mit meinem Körpergewicht liegt die Wahrscheinlichkeit, ein „Normalgewicht“ zu erreichen, also bei deutlich unter einem Prozent.

Trotzdem bekomme ich als dicker Mensch ständig aus allen Richtung die Botschaft, dass Abnehmen für mich möglich sein soll.

Trotz dieser geringen Wahrscheinlichkeit wird mir von Ärzt*innen immer wieder empfohlen, dass ich abnehmen soll?

Fazit

Die genannten Zahlen lassen den Verdacht aufkommen, dass es bei diesen Empfehlungen am Ende gar nicht so sehr um das Thema Gesundheit geht - sondern um Fettfeindlichkeit.

Diskriminierung gegenüber dicken Menschen wird immer wieder darüber gerechtfertigt, dass man sich ja „Sorgen um ihre Gesundheit macht“ oder dass dicke Menschen - vermeintlich - unverantwortlich mit ihrer Gesundheit umgehen.

Im gleichen Atemzug wird dicken Menschen dann Abnehmen empfohlen - also etwas, was sehr wahrscheinlich nicht funktioniert und gesundheitsschädigend ist.

Ich hätte jetzt gerne ein schönes Schlusswort, vielleicht mit ein paar schönen Lösungsvorschlägen.

Aber ganz ehrlich: Habe ich nicht. Weil ich müde bin.

Ich bin müde davon, dass die Sorge um „Gesundheit“ immer wieder benutzt wird, um dicken Menschen das Existenzrecht abzusprechen.

Und davon, dass das Argument „das ist ungesund“ immer wieder genutzt wird, wenn Menschen ohne Normkörper in der Öffentlichkeit selbstbewusst zu ihrem Körper stehen.

Vielleicht habe ich doch eine Lösungsidee (für einen ersten Schritt)::

Mir wäre es lieber, wenn wir ehrlich darüber sprechen könnten, dass wir dann oft eigentlich nicht über „Gesundheit“ reden, sondern über die Abneigung gegenüber dicken Menschen. Über Fettfeindlichkeit und fettfeindliche Vorurteile.

Das wäre immer noch anstrengend, aber wir wüssten alle wenigstens woran wir sind. Und Themen wie „Gesundheit“ müssen nicht mehr als Vehikel für Vorurteile herhalten.

Zum Weiterlesen:

Hobbes, Michael (2018): Everything you know about obesity is wrong

https://highline.huffingtonpost.com/articles/en/everything-you-know-about-obesity-is-wrong/

Schleifer, Petra & Post, Antonie (2022): Gesundheit kennt kein Gewicht

Studie von Traci Mann et al (2007):

https://www.researchgate.net/publication/6359969_Medicare's_Search_for_Effective_Obesity_Treatments_Diets_Are_Not_the_Answer

Zurück
Zurück

Kann Diskriminierung krank machen? Was die Gesundheit dicker Menschen wirklich schädigt.

Weiter
Weiter

Was wissen wir wirklich über den Zusammenhang zwischen Gewicht und Gesundheit?