Warum Körperakzeptanz sich manchmal einsam anfühlen kann ⎻ und was dagegen hilft
Kennst du das?
Du möchtest deinen Körper akzeptieren und liebevoller mit ihm umgehen?
Aber an manchen Tagen ist das sehr schwer.
Es gibt verschiedene Gründe, warum Körperakzeptanz ein schwieriger Veränderungsprozess sein kann.
Einer dieser Gründe: Sich gegen Abnehmen und Körperoptimierung entscheiden, kann sich manchmal ganz schön einsam anfühlen.
Ich erzähle dir hier, warum dieses Gefühl entstehen kann und was dir im Umgang damit hilft.
Bedeutet Körperakzeptanz, in einer anderen Realität zu leben?
Die Entscheidung für Körperakzeptanz bedeutet, ein Stück weit in einer anderen Realität zu leben. Und das kann manchmal schwer sein.
Was ich damit meine, lässt sich gut an den Reaktionen auf ein Instagram Video von mir sehen.
Zum Hintergrund:
Ich hatte ein Reel auf Instagram veröffentlicht, was Inhalte aus eines Blogartikels / einer Podcastfolge aufgegriffen hat.
Im Text / in der Folge ging es um die ungünstigen Auswirkungen von Diäten auf die Gesundheit - und u.a. um die Studienergebnisse, die zeigen, dass 95 - 98% der Versuche, dauerhaft Gewicht zu reduzieren, scheitern.
Ausgehend davon hatte ich im erwähnt wie absurd ich es finde, dass der Fokus so viel auf Abnehmen liegt, wenn es um die Gesundheit dicker Menschen geht.
In dem Instagram Reel war ein Video von mir zu sehen und dieser Text:
„Für mich mit meinem Körpergewicht liegt die Wahrscheinlichkeit, ein „Normalgewicht“ zu erreichen, bei deutlich unter 0,2 Prozent
Was ich krass finde:
Trotzdem bekomme ich als dicker Mensch ständig aus allen Richtung die Botschaft, dass Abnehmen für mich möglich sein soll.
Und trotzdem wird erwartet, dass ich meine Energie und Zeit in Diäten stecke
Klingt schräg? Aber Hallo!
Was ich sinnvoller finde:
Einfach mein Leben leben - mit dem Körper, den ich habe
Energie in eine gute Beziehung zu meinem Körper stecken
Zeit in Bewegung stecken, die mir gut tut und mir hilft, gut in meinem Körper zu altern (ohne dass Abnehmen das Ziel dabei ist)
Und so vieles mehr!“
Dieses Reel hatte - für meine Verhältnisse - relativ viel Reichweite.
Und damit kamen dann auch einige unangenehme Kommentare.
Ich fand diese Kommentare einerseits gar nicht überraschend. Weil ich weiß, was andere dicke Menschen und vor allem andere dicke Frauen im Internet an Kommentaren bekommen.
Andererseits war ich doch überrascht. Weil ich wieder einmal gemerkt habe, dass meine Perspektive auf Körper und Gewicht so weit weg ist von der Perspektive der Männer, die unter meinem Reel kommentiert haben.
Folgende Aussagen ließen sich in den Kommentaren finden:
(Cn: Fettfeindlichkeit)
Tipps zum Abnehmen
die Zuschreibung, dass mein Körper ungesund sei
immer wieder die Gleichsetzung „dünn = gesund“
darauf bestehen, dass dick sein ungesund ist und dass das ein Fakt ist (Zitat: „natürlich ist die Datenlage klar“)
die Prognose, dass ich eher sterben werde (Zitat: „falls du die 60 erreichst“) und dass ich ein „Wrack“ sein werde (wenn ich überhaupt alt werde)
die Idee: „Körper pflegen heißt auch, dass er nicht so übergewichtig wird“
eine Beleidigung
Vorwürfe:
Ich würde meinen „Kopf in den Sand stecken“, mich mit meinem Schicksal abfinden und aufgeben
Ich würde ein „ungesundes und schädliches Körperbild“ legitimieren - und das wäre problematisch, weil dann andere Menschen mit den gleichen Problemen denken, sie könnten nichts ändern und finden sich damit ab
Soweit ich es erkennen konnten, kamen diese Kommentare alle von cis-Männern. Darunter waren einige, die scheinbar selbst abgenommen hatten.
Bei mir blieb nach diesen Kommentaren der Eindruck zurück:
Meine Perspektive ist für diese Menschen sehr fremd und sie konnten sich gar nicht darauf einlassen.
Für mich hat es sich in dem Moment so angefühlt als würden diese Menschen und ich nicht in derselben Realität leben.
Die Entscheidung für Körperakzeptanz: Ausstieg aus einer geteilten Idee
Bestimmte Entscheidungen können bedeuten, dass wir - zumindest stellenweise - nicht mehr dieselbe Wirklichkeit mit anderen Menschen teilen.
Das kann zum Beispiel passieren, wenn du dich entscheidest…:
das Thema Klimawandel und Klimaschutz sehr ernst zu nehmen und dein Leben entsprechend umstellst
dich weiterhin vor Covid19-Infektionen zu schützen (z.B. indem du weiterhin eine Maske trägst in bestimmten Situationen)
deinen Körper so zu akzeptieren wie er ist - auch wenn dein Gewicht und/oder dein Aussehen nicht den Schönheitsnormen unserer Gesellschaft entsprechen
Letzteres gilt besonders für dicke Menschen, die sich dafür entscheiden, nichts an ihrem dick sein zu ändern und die nicht mehr das Ziel verfolgen, dünn zu sein.
An den Kommentaren unter meinem Video lässt sich sehen, dass die Idee von Körperakzeptanz für manche Menschen völlig fremd ist:
Für sie ist es gar nicht denkbar, dass es möglich und ok sein könnte, dass Menschen sich für ein Leben in einem dicken Körper entscheiden.
Es war für sie unmöglich, anders über das Thema Gewicht und Gesundheit nachzudenken als sie es gelernt hatten.
Sich für Körperakzeptanz zu entscheiden bedeutet also in manchen Situationen sehr anders auf die Welt zu schauen als andere Menschen.
Es bedeutet, aus einer geteilten Idee auszusteigen:
Aus der Idee, dass dick sein schlecht und dünn sein gut ist.
Dieses „anders auf die Welt schauen“ kann völlig ok sein.
Es kann sogar bestärkend sein.
In manchen Momenten kann es sich sehr einsam anfühlen.
Dieses Gefühl von Einsamkeit kann den Prozess der Körperakzeptanz erschweren.
Weil es dazu führen kann, dass immer wieder Zweifel an der eigenen Entscheidung, am eigenen Weg aufkommen.
Was kann helfen, mit diesem Einsamkeitsgefühl im Prozess der Körperakzeptanz umzugehen?
Wenn du dich auch dafür entschieden hast, deinen Körper zu akzeptieren und dieses Gefühl von Einsamkeit kennst:
Es ist normal, dass du dich manchmal so fühlst und du bist damit nicht allein.
Es hilft, andere Menschen zu finden, die sich ebenfalls dafür entschieden haben, ihren Körper so zu akzeptieren wie er ist.
Menschen, die eine ähnliche Perspektive auf das Thema Körper und Gewicht haben wie du selbst.
Manchmal lassen sich diese Menschen im eigenen Wohnort finden. Vielleicht sogar im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis.
Manchmal ist es leichter, sie online zu finden, zum Beispiel:
auf Social Media
in Texten auf Blogs 😉
in Videos auf YouTube
Für mich war es beispielsweise um 2010 herum sehr hilfreich und stärkend als ich online Texte von dicken Frauen gefunden habe, die kritisch über solche Dinge wie Diätkultur und Fettfeindlichkeit schrieben.
Das waren unter anderem:
Magda Albrecht und ihre Texte in der Reihe „(Mein) Fett ist politisch“
Podcast „Two whole cakes Fatcast“ von Lesley Kinzel und Marianne Kirby
Jes Baker und ihr Blog „The militant baker“